Liebe Leser,
wie schon in einem unserer früheren Posts erwähnt, führten wir ein Interview mit der Besitzerin des "Unverpackt"-Ladens in Kiel. Heute könnt ihr das Interview hier in Deutsch und auch in Englisch (hier klicken) lesen.
Wie heißen Sie?
Marie
Delaperrière
Woher kommt der Name?
Frankreich
Wie kamen Sie auf die Idee einen plastikfreien Laden
aufzumachen?
Es geht nicht darum, dass
es plastikfrei ist, viel mehr ist das ein verpackungsfreier oder einwegverpackungsfreier
Laden. Die Lebensmittelspender sind aus Plastik, weil ich damals keine andere
Lösung gefunden habe. Die Idee kam erst durch die Feststellung, dass nach einem
Einkauf für uns dann ein wahnsinniger Berg an Plastik bzw. Verpackungsmüll
entstanden ist und das hat mich schon genervt. Hinzu kam ein Artikel über Bea
Johnson, einer Frau, die ohne Müll seit Jahren in den USA wohnt. Das habe ich
gelesen und mir abgeguckt, wie sie das machte und nach viel Recherche fand ich
so einen einweg-verpackungsfreien Laden gefunden, wie sie einen hat und wollte
dann auch so einen haben. Dann habe ich im Internet viel recherchiert, wo
existiert sowas, was können wir dann überhaupt anbieten.
Hat Sie das Problem also persönlich beschäftigt, oder
viel mehr geschäftlich?
Genau, als Privatperson
hat mich die ganze Menge an Verpackungsmüll nach dem Einkauf beschäftigt. Als
ich selber einen Zeitungsartikel über Bea Johnson gelesen habe, habe ich mir
angeguckt, wie sie das gemacht hat. Daraufhin bin ich bei meiner Recherche auf
die Lebensmittelspender gestoßen, die man in ihren Läden selber bedient und
damit kann man sich Verpackungsmüll sparen. Da kam der Punkt, wo ich fand: Das
finde ich super. Das möchte ich auch so umsetzen. Damit habe ich mich
intensiver beschäftigt und bin dann von meinem alten Job ausgestiegen und habe mich
seitdem mit dem Laden beschäftigt.
Was haben Sie davor gemacht?
Ich war Projektmanagerin
in einem Großkonzern im Bereich der Logistik.
Dann sind Sie erfahren im Aufziehen von Projekten.
In der Tat. Diesmal
handelt es sich jedoch, um mein eigenes Projekt. (lacht)
Der Name Bea Johnson ist wiederholt gefallen.
Genau. Sie hat diese
Zero-Waste bzw. Zero-Waste Home Bewegung ins Leben gerufen. Sie hat ein Buch
geschrieben und führt einen Blog, wo sie darüber schreibt, wie man mit weniger
Müll leben kann.
Wie sind Sie auf Bea Johnson gestoßen?
Ich habe sie in einer französischen
Onlinezeitschrift gefunden, die ich gelesen habe. Sie wohnt zwar in den USA ist
aber Französin und deshalb wird wohl viel über sie in Frankreich geschrieben.
Und seit 2006 oder 2008 lebt sie ohne Müll.
Die Zero-Waste Initiatorin Bea Johnson
Seit wie lange leben Sie in Deutschland?
Ich wohne in Deutschland
seit 2003 und in Kiel seit 2009.
Und wie lange leben sie verpackungsfrei?
Seit der Eröffnung des
Ladens, also seit gut 2 ½ Jahren. Verpackungsfrei, ja, aber noch nicht ganz
müllfrei. Wir sind aber auf einem guten Weg.
Sie unterscheiden also zwischen plastikfrei, müllfrei
und verpackungsfrei.
Ja es geht darum, dass
Müll nicht entsteht. Es gibt verschiedenes, wie z.B. plastikfreies Leben, oder
aber auch in Verbindung mit verpackungsfrei, beide können sich jedoch auch
trennen. Wobei man sagen kann plastikfrei für alles, oder auch einweg-verpackungsfrei,
oder müllfrei. Müllfrei ist also nicht das gleiche wie plastikfrei.
Geht es Ihnen bei müllfrei um Recycling und
Kompostieren bzw. auch Wiederverwendung.
Genau. Bei plastikfrei
handelt es sich um einen Lebensstil, wo man zu Hause keine Gegenstände aus
Plastik hat. Das ist schon sehr schwer, es gibt aber viele Blogs und Bücher, wo
gezeigt wird, wie man ohne Plastik leben kann. Die erste Baustelle bei uns ist
aber tatsächlich müllfrei zu leben.
Kann man selbst die Ware verpackungsfrei geliefert
bekommen?
Nein, das geht leider
nicht. Ich bekomme aber z.B. 25 Kilo Säcke voll Getreide, oder viele Produkte,
wie Gewürze in Kiloverpackungen, was schon eine große Menge ist.
Sind diese Verpackungen aus Plastik?
Sehr wenige. Jedoch gibt
es auch Plastikverpackungen, je nach Ware, Transportanforderungen,
Lebensmittelverordnungen usw.
Bezüglich ihrer Auswahl im Laden – vermissen Sie
einige Produkte?
Tatsächlich vermisse ich
hier im Laden frisches Fleisch und frischen Fisch. Mehr vermisse ich nicht.
Dafür kann ich zum Fischhandel und zum Metzger gehen.
Bestimmte Lebensmittel findet man so gut wie nie ohne
Plastik verpackt. Haben sie Quark?
Ja wir haben welches im
Glas. Man findet es selten. Wir haben einen regionalen Milchprodukteanbieter,
der seine Ware im Glas verkauft. Manchmal sind sogar die Verpackungen aus
Pappe, dort gibt es aber trotzdem eine Beschichtung.
Wie läuft der Laden?
Er kommt sehr gut an. Das ist jetzt das dritte Jahr und die Kundenzahl ist konstant gestiegen. Ein solcher Laden braucht natürlich eine bestimmte Anlaufzeit, aber jetzt im dritten Jahr – ein entscheidendes Jahr für Start-Ups – kann ich das auch so sagen, dass wir uns etabliert haben.
Er kommt sehr gut an. Das ist jetzt das dritte Jahr und die Kundenzahl ist konstant gestiegen. Ein solcher Laden braucht natürlich eine bestimmte Anlaufzeit, aber jetzt im dritten Jahr – ein entscheidendes Jahr für Start-Ups – kann ich das auch so sagen, dass wir uns etabliert haben.
Marie Delaperriére in ihrem "Unverpackt"-Laden in Kiel
Was und wie viele Kunden kommen?
Im Durchschnitt kommen
70-90 Kunden am Tag. Die Kunden sind buntgemischt, es gibt keine bestimmte
Kundschaft. Von jungen Familien bis Studenten, von Kinder bis Senioren, von barfuß
laufenden Menschen bis Anzugsmenschen ist alles dabei. Wir zielen auf kein
bestimmtes Klientel ab, das ist ein Laden für alle.
Haben Sie bestimmte Erfolgserlebnisse?
Vor allem freut mich die
Verbreitung des Konzepts bzw. die Idee. Der Laden in Kiel ist der erste in
Deutschland, der aufgemacht hat. Mittlerweile gibt es aber 20 Geschäfte, die
aufmachen werden. Auch die ganze Bewegung und das Selbstbewusstsein, das zu
spüren ist, und der Konzern und die ganze Info über Plastik und die
Verpackungen, das nachhaltige Leben und konsumieren – das alles hat einen
Anstoß für eine große Bewegung gegeben.
Wir haben gelesen, dass Sie bald einen Workshop geben
für Leute, die einen solchen Laden aufmachen wollen. Wie viele kommen denn?
Letztes Jahr habe ich
angefangen Workshops zu organisieren und habe ungefähr 100 Teilnehmer gehabt,
von denen dann auch 10 einen Laden aufgemacht haben.
Also bringen Sie den Leuten ganz konkret bei, wie ein
solcher Laden funktionieren kann.
Genau, wir helfen von der
Idee bis zum Betrieb. Das mache ich in Form von Workshops hier im Laden, oder
durch Beratung.
Gibt es etwas, was Sie Leuten mitgeben möchten,
denjenigen, die nicht Zugang zu solchen Geschäften haben?
Auch ohne verpackungsfreie
Läden ist es möglich seinen Müll zu reduzieren. Man muss ganz einfach sich in
seiner eigenen Küche, oder genauer genommen, in seinem eigenen Konsumverhalten
was ändern. Macht man es Schritt-für-Schritt, ist es ganz einfach. Ich habe
damals angefangen mich darüber zu ärgern, dass ich immer fertig geriebenen Käse
in Tütchen gekauft habe, bis ich mir dachte: Das ist Wahnsinn. Da kaufe ich mir
einfach einen Block Käse und nehme eine Reibe, reibe dann nach Bedarf und es
ist immer frisch. Und die Plastiktüte habe ich dann immer gespart. Der Gedanke
ist eigentlich ganz simpel, gesunder Menschenverstand. Jedoch habe ich aus
Reflex jahrelang den Käse in Plastiktüten gekauft. Wenn man um sich herum
guckt: Man braucht statt eine Küchenrolle, nur einen Lappen, oder ein Tuch – so
entsteht dann auch kein Müll. Mit solchen Beispielen peu a peu fängt das dann
an mit weniger Müll durch das Leben zu kommen.
Vielen Dank!
Dieses Interview wurde in Kiel am 17. Mai 2016 von Sophie Weise and Temur Mehr durchgeführt.
Dieses Interview wurde in Kiel am 17. Mai 2016 von Sophie Weise and Temur Mehr durchgeführt.
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