Wednesday 1 June 2016

Interview With the Owner of the "Unverpackt"-Store in Kiel (in German)

Liebe Leser,

wie schon in einem unserer früheren Posts erwähnt, führten wir ein Interview mit der Besitzerin des "Unverpackt"-Ladens in Kiel. Heute könnt ihr das Interview hier in Deutsch und auch in Englisch (hier klicken) lesen.


Wie heißen Sie?
Marie Delaperrière

Woher kommt der Name?
Frankreich

Wie kamen Sie auf die Idee einen plastikfreien Laden aufzumachen?
Es geht nicht darum, dass es plastikfrei ist, viel mehr ist das ein verpackungsfreier oder einwegverpackungsfreier Laden. Die Lebensmittelspender sind aus Plastik, weil ich damals keine andere Lösung gefunden habe. Die Idee kam erst durch die Feststellung, dass nach einem Einkauf für uns dann ein wahnsinniger Berg an Plastik bzw. Verpackungsmüll entstanden ist und das hat mich schon genervt. Hinzu kam ein Artikel über Bea Johnson, einer Frau, die ohne Müll seit Jahren in den USA wohnt. Das habe ich gelesen und mir abgeguckt, wie sie das machte und nach viel Recherche fand ich so einen einweg-verpackungsfreien Laden gefunden, wie sie einen hat und wollte dann auch so einen haben. Dann habe ich im Internet viel recherchiert, wo existiert sowas, was können wir dann überhaupt anbieten.


Marie Delaperriére


Hat Sie das Problem also persönlich beschäftigt, oder viel mehr geschäftlich?
Genau, als Privatperson hat mich die ganze Menge an Verpackungsmüll nach dem Einkauf beschäftigt. Als ich selber einen Zeitungsartikel über Bea Johnson gelesen habe, habe ich mir angeguckt, wie sie das gemacht hat. Daraufhin bin ich bei meiner Recherche auf die Lebensmittelspender gestoßen, die man in ihren Läden selber bedient und damit kann man sich Verpackungsmüll sparen. Da kam der Punkt, wo ich fand: Das finde ich super. Das möchte ich auch so umsetzen. Damit habe ich mich intensiver beschäftigt und bin dann von meinem alten Job ausgestiegen und habe mich seitdem mit dem Laden beschäftigt.

Was haben Sie davor gemacht?
Ich war Projektmanagerin in einem Großkonzern im Bereich der Logistik.

Dann sind Sie erfahren im Aufziehen von Projekten.
In der Tat. Diesmal handelt es sich jedoch, um mein eigenes Projekt. (lacht)

Der Name Bea Johnson ist wiederholt gefallen.
Genau. Sie hat diese Zero-Waste bzw. Zero-Waste Home Bewegung ins Leben gerufen. Sie hat ein Buch geschrieben und führt einen Blog, wo sie darüber schreibt, wie man mit weniger Müll leben kann.

Wie sind Sie auf Bea Johnson gestoßen?
Ich habe sie in einer französischen Onlinezeitschrift gefunden, die ich gelesen habe. Sie wohnt zwar in den USA ist aber Französin und deshalb wird wohl viel über sie in Frankreich geschrieben. Und seit 2006 oder 2008 lebt sie ohne Müll.


Die Zero-Waste Initiatorin Bea Johnson

Seit wie lange leben Sie in Deutschland?
Ich wohne in Deutschland seit 2003 und in Kiel seit 2009.

Und wie lange leben sie verpackungsfrei?
Seit der Eröffnung des Ladens, also seit gut 2 ½ Jahren. Verpackungsfrei, ja, aber noch nicht ganz müllfrei. Wir sind aber auf einem guten Weg.

Sie unterscheiden also zwischen plastikfrei, müllfrei und verpackungsfrei.
Ja es geht darum, dass Müll nicht entsteht. Es gibt verschiedenes, wie z.B. plastikfreies Leben, oder aber auch in Verbindung mit verpackungsfrei, beide können sich jedoch auch trennen. Wobei man sagen kann plastikfrei für alles, oder auch einweg-verpackungsfrei, oder müllfrei. Müllfrei ist also nicht das gleiche wie plastikfrei.

Geht es Ihnen bei müllfrei um Recycling und Kompostieren bzw. auch Wiederverwendung.
Genau. Bei plastikfrei handelt es sich um einen Lebensstil, wo man zu Hause keine Gegenstände aus Plastik hat. Das ist schon sehr schwer, es gibt aber viele Blogs und Bücher, wo gezeigt wird, wie man ohne Plastik leben kann. Die erste Baustelle bei uns ist aber tatsächlich müllfrei zu leben.

Kann man selbst die Ware verpackungsfrei geliefert bekommen?
Nein, das geht leider nicht. Ich bekomme aber z.B. 25 Kilo Säcke voll Getreide, oder viele Produkte, wie Gewürze in Kiloverpackungen, was schon eine große Menge ist.

Sind diese Verpackungen aus Plastik?
Sehr wenige. Jedoch gibt es auch Plastikverpackungen, je nach Ware, Transportanforderungen, Lebensmittelverordnungen usw.

Bezüglich ihrer Auswahl im Laden – vermissen Sie einige Produkte?
Tatsächlich vermisse ich hier im Laden frisches Fleisch und frischen Fisch. Mehr vermisse ich nicht. Dafür kann ich zum Fischhandel und zum Metzger gehen.

Bestimmte Lebensmittel findet man so gut wie nie ohne Plastik verpackt. Haben sie Quark?
Ja wir haben welches im Glas. Man findet es selten. Wir haben einen regionalen Milchprodukteanbieter, der seine Ware im Glas verkauft. Manchmal sind sogar die Verpackungen aus Pappe, dort gibt es aber trotzdem eine Beschichtung.

Wie läuft der Laden?
Er kommt sehr gut an. Das ist jetzt das dritte Jahr und die Kundenzahl ist konstant gestiegen. Ein solcher Laden braucht natürlich eine bestimmte Anlaufzeit, aber jetzt im dritten Jahr – ein entscheidendes Jahr für Start-Ups – kann ich das auch so sagen, dass wir uns etabliert haben.



Marie Delaperriére in ihrem "Unverpackt"-Laden in Kiel


Was und wie viele Kunden kommen?
Im Durchschnitt kommen 70-90 Kunden am Tag. Die Kunden sind buntgemischt, es gibt keine bestimmte Kundschaft. Von jungen Familien bis Studenten, von Kinder bis Senioren, von barfuß laufenden Menschen bis Anzugsmenschen ist alles dabei. Wir zielen auf kein bestimmtes Klientel ab, das ist ein Laden für alle.

Haben Sie bestimmte Erfolgserlebnisse?
Vor allem freut mich die Verbreitung des Konzepts bzw. die Idee. Der Laden in Kiel ist der erste in Deutschland, der aufgemacht hat. Mittlerweile gibt es aber 20 Geschäfte, die aufmachen werden. Auch die ganze Bewegung und das Selbstbewusstsein, das zu spüren ist, und der Konzern und die ganze Info über Plastik und die Verpackungen, das nachhaltige Leben und konsumieren – das alles hat einen Anstoß für eine große Bewegung gegeben.

Wir haben gelesen, dass Sie bald einen Workshop geben für Leute, die einen solchen Laden aufmachen wollen. Wie viele kommen denn?
Letztes Jahr habe ich angefangen Workshops zu organisieren und habe ungefähr 100 Teilnehmer gehabt, von denen dann auch 10 einen Laden aufgemacht haben.

Also bringen Sie den Leuten ganz konkret bei, wie ein solcher Laden funktionieren kann.
Genau, wir helfen von der Idee bis zum Betrieb. Das mache ich in Form von Workshops hier im Laden, oder durch Beratung.

Gibt es etwas, was Sie Leuten mitgeben möchten, denjenigen, die nicht Zugang zu solchen Geschäften haben?
Auch ohne verpackungsfreie Läden ist es möglich seinen Müll zu reduzieren. Man muss ganz einfach sich in seiner eigenen Küche, oder genauer genommen, in seinem eigenen Konsumverhalten was ändern. Macht man es Schritt-für-Schritt, ist es ganz einfach. Ich habe damals angefangen mich darüber zu ärgern, dass ich immer fertig geriebenen Käse in Tütchen gekauft habe, bis ich mir dachte: Das ist Wahnsinn. Da kaufe ich mir einfach einen Block Käse und nehme eine Reibe, reibe dann nach Bedarf und es ist immer frisch. Und die Plastiktüte habe ich dann immer gespart. Der Gedanke ist eigentlich ganz simpel, gesunder Menschenverstand. Jedoch habe ich aus Reflex jahrelang den Käse in Plastiktüten gekauft. Wenn man um sich herum guckt: Man braucht statt eine Küchenrolle, nur einen Lappen, oder ein Tuch – so entsteht dann auch kein Müll. Mit solchen Beispielen peu a peu fängt das dann an mit weniger Müll durch das Leben zu kommen.


Vielen Dank!

Dieses Interview wurde in Kiel am 17. Mai 2016 von Sophie Weise and Temur Mehr durchgeführt.


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